zum Inhalt springen

Marc Kudlowski

Thema: Lesebereitschaft initiieren und stabilisieren durch IM-PALS. Design research-basierte Studie zum Intermedialen Partnerlesen für einen habituellen Nichtleser zur Förderung von Leseflüssigkeit und -motivation


Betreuer:innen: Erstbetreuung: Prof'in Dr'in Petra Anders (Humboldt-Universität zu Berlin), Zweitbetreuung: Prof. Dr. Michael Staiger

Abstract: Ein Viertel aller Schüler:innen in Deutschland verfügt am Ende der vierten Klasse nicht über eine ausreichende Lesekompetenz (vgl. Lorenz et al. 2023, 84). Dieses Problem ist seit dem PISA-Schock im Jahr 2001 hinlänglich bekannt und betrifft insbesondere Jungen mit Migrationshintergrund, deren Eltern über geringe sozioökonomische Ressourcen verfügen (vgl. Naumann et al. 2010, S. 46; Diedrich et al. 2019; Weis et al. 2019). So wurde im Rahmen des Dissertationsprojekts der in benachteiligter sozialer Lage, am Rande einer Großstadt lebende habituelle Nichtleser Boris mit dem Ziel gefördert, seinen im Bereich der Lesekompetenz aufgebauten Lernrückstand zu kompensieren. Für Schüler wie ihn scheint ein Bedarf an alternativen Verfahren zur Leseförderung zu bestehen, insbesondere an solchen, die subjektorientiert und damit zwingend auch medienintegrativ ausgerichtet sind. Vor diesem Hintergrund wurden die Methoden des Lesetandems (Topping 1987) und der Intermedialen Lektüre (Kruse 2020) kombiniert und entwicklungsorientiert erprobt. Den Prinzipien Fachdidaktischer Entwicklungsforschung (Reinmann 2015; McKenney/Reeves 2018) folgend wurde die entstandene Methodenkombination anhand ausgewählter Medien des „Momo“-Verbunds über einen Zeitraum von zwölf Wochen optimiert. Das Ergebnis des Entwicklungsprozesses war das verbundübergreifend einsetzbare InterMediale PArtnerLeSen (IM-PALS).

Im Zusammenhang mit dem Entwicklungsprozess stand die forschungsleitende Fragestellung, inwiefern sich die Leseflüssigkeit und Lesemotivation von Boris durch die medienverbundintegrative Intensivleseförderung mit einem professionellen Lesetutor verändern. Zur Beantwortung dieser Frage wurde ein Mixed-Methods-Vertiefungsdesign eingesetzt, das quantitativ im Hinblick auf Leseflüssigkeit und qualitativ mit dem Schwerpunkt auf Lesemotivation ausgewertet wurde.

Es zeigte sich, dass Boris am Ende des Förderzeitraums deutlich flüssiger und motivierter als zu Beginn las. Flüssiger bedeutet vor allem nicht nur weniger fehleranfällig und zügiger zu lesen, sondern ebenso die Geschwindigkeit funktional zu regulieren und das Vorlesen sinnstiftend zu gestalten. Motivierter zeigte Boris sich insofern, als dass er seine ablehnende Haltung gegenüber dem Lesen aufgab. Voraussetzung hierfür bildete die durchgehende Berücksichtigung des Zeichentrickfilms als Stützpunktmedium und der häufige, kleinschrittige Wechsel zwischen den Medien. Der zentrale Befund war indes, dass durch die Rezeption im Medienverbund beim Lesen Kontexte bereitstehen, die zu intertextuellen und intermedialen Aktualisierungen des Gelesenen führen können. Es kommt vermutlich zu einer Anreicherung des mentalen Repräsentationsprozesses, wodurch das Textverstehen positiv beeinflusst wird. Als besonders wirkungsstark haben sich in dieser Hinsicht die AV-Medien i.w.S. und die Filmstills i.e.S. erwiesen.

 

Literatur

Diedrich, J., Schiepe-Tiska, A., Ziernwald, L., Tupac-Yupanqui, A., Weis, M., McElvany, N. & Reiss, K. (2019). Lesebezogene Schülermerkmale in PISA 2018: Motivation, Leseverhalten, Selbstkonzept und Lesestrategiewissen. In: K. Reiss, M. Weis, E. Klieme & O. Köller (Hrsg.), PISA 2018. Grundbildung im internationalen Vergleich (S. 81–109). Waxmann.

Kruse, I. (2020). Intermediale Lektüre. In: T. Kurwinkel & Ph. Schmerheim (Hrsg.), Handbuch Kinder- und Jugendliteratur (S. 408–411). J.B. Metzler.

Lorenz, R., McElvany, N., Schilcher, A. & Ludewig, U. (2023). Lesekompetenz von Viertklässlerinnen und Viertklässlern im internationalen Vergleich: Testkonzeption und Ergebnisse von IGLU 2021. In: N. McElvany, R. Lorenz, A. Frey, F. Goldhammer, A. Schilcher & T. C. Stubbe (Hrsg.), IGLU 2021. Lesekompetenz von Grundschulkindern im internationalen Vergleich und im Trend über 20 Jahre (S. 53–87). Waxmann.

McKenney, S. & C. Reeves, Th. (2018). Conducting Educational Design Research. 2nd ed. Routledge.

Naumann, J., Artelt, C., Schneider, W. & Stanat, P. (2010). Lesekompetenz von PISA 2000 bis PISA 2009. In: E. Klieme, C. Artelt, J. Hartig, N. Jude, O. Köller, M. Prenzel, W. Schneider & P. Stanat (Hrsg.), PISA 2009. Bilanz nach einem Jahrzehnt (S. 23–71). Waxmann.

Reinmann, G. (2015). Didaktisches Design. Studientext. https://gabi-reinmann.de/wp-content/uploads/2013/05/Studientext_DD_Sept2015.pdf (Abfrage 15.02.2024)

Topping, K. (1987). Paired Reading: A Powerful Technique for Parent Use. The Reading Teacher, 40(7), S. 608–614.

Weis, M., Müller, K., Mang, J., Heine, J.-H., Mahler, N. & Reiss, K. (2019). Soziale Herkunft, Zuwanderungshintergrund und Lesekompetenz. In: K. Reiss, M. Weis, E. Klieme & O. Köller (Hrsg.), PISA 2018. Grundbildung im internationalen Vergleich (S. 129–162). Waxmann.