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Sprachdidaktisches Kolloquium

Sommersemester 2025

 

Sprache | Gewalt | Geschichte

 

Das sprachdidaktische Kolloquium wird in diesem Sommersemester (2025) in Zusammenarbeit mit der Geschichtsdidaktik veranstaltet. Die Termine finden jeweils von von 18.00 Uhr bis 19.30 Uhr im Triforum (Innere Kanalstraße 15), Raum S194 statt.

Darüber hinaus ist eine digitale Teilnahme über Zoom möglich. Die Anmeldung dazu erfolgt über diesen Link:

https://survey.uni-koeln.de/index.php/181511?lang=de

Die Zugangsdaten werden Ihnen rechtzeitig vor dem jeweiligen Vortrag zugeschickt.

Interessierte Gäste und Studierende sind ausdrücklich eingeladen und herzlich willkommen.
 

Termine:

06.05.2025 -  SPRACHE MACHT GESCHICHTE. Zum schwierigen Verhältnis von sprachlichem Handeln und historischem Denken lernen / Saskia Handro (Universität Münster)

20.05.2025 -  "Katechetische" Kommunikationsmuster im Staatsbürgerkundeunterricht der DDR. Über die Einübung ideologischer Sprechakte und die Fehleranfälligkeit dieser Praxis/ May Jehle (Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

17.06.2025  - „Worte können wie winzige Arsendosen sein” Zur Macht der Sprache in totalitären und demokratischen Gesellschaften/ Charlotta Seiler Brylla (Universität Stockholm (Schweden))

01.07.2025 - Sprache als Gewaltmittel im NS (Arbeitstitel) / Annemone Christians-Bernsee (NS-Dokumentationszentrum Köln)

 

Plakat zum Sprachdidaktischen Kolloquium SoSe 2025

Abstracts

06.05.2025 -  SPRACHE MACHT GESCHICHTE. Zum schwierigen Verhältnis von sprachlichem Handeln und historischem Denken lernen / Saskia Handro (Universität Münster)

Geschichte ist nicht Sprache und dennoch existiert sie nur, indem sie zur Sprache gebracht wird. Ob beim Umgang mit der Sprache von Quellen und Darstellungen, ob im Modus historischen Erzählens oder in Kontroversen über Geschichte – historisches Denken ist auf komplexe Weise an epistemisches Sprachhandeln gebunden. Daher überrascht es nicht, dass viele Herausforderungen im Geschichtsunterricht sprachlicher Natur sind und keineswegs widerspruchsfrei durch den Abbau von ‚Sprachbarrieren‘ gelöst werden können. Anliegen des Vortrages ist es, sprachliche Herausforderungen historischen Lehrens und Lernens auf Basis empirischer Befunde und anhand konkreter Beispiele zu kartieren sowie didaktische Dilemmata an der Schnittstelle von sprachlichem und fachlichem Lernen zur Diskussion zu stellen. 

 

20.05.2025 -  "Katechetische" Kommunikationsmuster im Staatsbürgerkundeunterricht der DDR. Über die Einübung ideologischer Sprechakte und die Fehleranfälligkeit dieser Praxis/ May Jehle (Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

Der Staatsbürgerkundeunterricht in der DDR hatte die Aufgabe, der Lehre des Marxismus-Leninismus entsprechende, aus der Geschichte abgeleitete Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung zu vermitteln. Empirische Studien verweisen darauf, dass daraus eine schematische Vermittlungspraxis resultierte, in der die Schüler:innen die gewünschten politisch-ideologischen Schlussfolgerungen reproduzieren konnten, jedoch nicht die entsprechenden Überzeugungen aufwiesen. Vor diesem Hintergrund werden in dem Vortrag Videoaufzeichnungen aus dem Staatsbürgerkundeunterricht analysiert, die in den 1980er Jahren an einer Ost-Berliner Forschungsschule entstanden sind. Der beschriebenen Vermittlungsproblematik sollte mit einer problemhaften Unterrichtsgestaltung begegnet werden, die zu einer eigenständigen Auseinandersetzung mit dem Gegenstand anregt. Im Mittelpunkt der Analysen steht die entsprechende Strukturierung der Unterrichtskommunikation, die mit Bezug auf die damit verbundene Vermittlungsabsicht diskutiert wird.

 

17.06.2025  - „Worte können wie winzige Arsendosen sein” Zur Macht der Sprache in totalitären und demokratischen Gesellschaften/ Charlotta Seiler Brylla (Universität Stockholm (Schweden))

Der Vortrag nimmt Victor Klemperers LTI. Notizbuch eines Philologen (1947) zum Ausgangspunkt, um die Macht und das Potenzial von Sprache im politischen und historischen Kontext zu untersuchen. Klemperer dokumentierte die Sprache des Nationalsozialismus und analysierte deren schleichende Wirkung – vermittelt durch Wiederholungen, Metaphern und rhetorische Strategien. In seinen später veröffentlichten Tagebüchern (1996) stellt er fest, dass die LTI auch in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR weiterlebte – in Form eines totalitären Sprachstils.

Im Systemwettbewerb mit der Bundesrepublik spielte Propaganda in der sozialistischen DDR eine zentrale Rolle, um die Bevölkerung vom Narrativ des „besseren Deutschlands“ zu überzeugen. Trotz des antifaschistischen Selbstverständnisses der DDR zeigen sich sprachliche Parallelen zur nationalsozialistischen Propaganda – ein Befund, der durch die totalitären Strukturen des Regimes erklärbar ist, wobei auch die Unterschiede zwischen beiden Diktaturen zu berücksichtigen sind.

Ein vertieftes Verständnis dieser sprachlichen Mechanismen hilft, gegenwärtige politische Sprachpraktiken kritisch zu reflektieren. Denn Sprache fungiert auch in Demokratien als zentrales Machtinstrument – mit dem entscheidenden Unterschied, dass dort Raum für Kritik, Widerspruch und Pluralität bleibt. Angeregt durch Hannah Arendts Überlegungen zu Öffentlichkeit und Wahrheit in dunklen Zeiten (1960) lädt der Vortrag zur Auseinandersetzung mit bewusster Sprachverwendung und offenem Dialog ein – gerade in einer Zeit, in der Antisemitismus und Rechtsextremismus erneut an Bedeutung gewinnen.

Literatur:

Arendt, H. (1960): Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten. Rede über Lessing. München: Piper.

Klemperer, V. (1947/1975): LTI. Notizbuch eines Philologen. Leipzig: Reclam

Klemperer, V. (1996): Und so ist alles schwankend. Tagebücher Juni bis Dezember 1945. Berlin: Aufbau-Verlag.

 

01.07.2025 - Sprache als Gewaltmittel im NS (Arbeitstitel) / Annemone Christians-Bernsee (NS-Dokumentationszentrum Köln)

Das NS-Dokumentationszentrum Köln stellt Gewalttaten auf mehreren Ebenen dar. Neben bildlichen Quellen ist dies auch die Ausgrenzung durch sprachliche Gewalt. Der Vortrag thematisiert, wie sich Gewalt im Nationalsozialismus nicht nur physisch, sondern auch sprachlich manifestierte und welche Rolle diskriminierende und ausgrenzende Sprachpraktiken im Herrschaftssystem des NS-Regimes spielten.

Im Mittelpunkt stehen die Fragen, wie sprachliche Gewalt definiert werden kann, in welchen Kontexten sie im Nationalsozialismus wirksam wurde und welche Herausforderungen sich für ihre museale Darstellung ergeben. Darüber hinaus wird diskutiert, wie mit historisch belasteter, verletzender Sprache im heutigen gesellschaftlichen und institutionellen Umgang umgegangen werden kann.