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Interdisziplinäre Flow-Forschung in der Deutschdidaktik

OPERFLOW - Experimentelle Interviews mit Kindern zum Besuch einer Opernvorstellung

„Iwein Löwenritter“ von Moritz Eggert nach den Romanen von Hartmann von Aue und Felicitas Hoppe

Projektleitung: Dr. Christopher Sappok, Universität zu Köln, Vertr.-Prof.in Dr. Antje Arnold, Bergische Universität Wuppertal

Kooperationen/Vernetzung: Dr. Sofie Taubert-Marx (Theaterwissenschaftlerin, Universität zu Köln), Dr. Christine Knoop (Germanistin, Max-Planck-Institut für Empirische Ästhetik, Frankfurt a.M.), Daniela Gerstenmeyer (Opernsängerin)

„Die Vernunft muss man zuhause lassen, wenn man in die Oper geht!“
(Gottsched 1730)

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Projektbeschreibung: Während Gottsched es nicht gut gemeint hat mit der Oper, setzen wir hier positiv an. Die Oper als vielschichtiges Musiktheater, als „Gesamtkunstwerk“ oder schlicht als multimodales Ereignis ist aus Kindersicht im besten Fall ein sensationelles Spektakel (Benthaus 2001). Mit dem besten Fall meinen wir weniger die erschöpfende Würdigung aller Gestaltungsebenen oder das lückenlose Mitvollziehen der Handlung, sondern das Zustandekommen von Flow- Erlebnissen (Csikszentmihalyi 2014 („positive Psychologie“), Flow-Symposium 2019 („empirische Ästhetik“)). Wir gehen davon aus, dass Kinder häufig überhaupt kein Problem damit haben, nicht alles zu erfassen und zu verstehen. Das ist ihre Welt. Sie können trotzdem auf ihre Kosten – i.e. „in den Flow“ – kommen. Ob und wie sich das vollzieht, ist allerdings schwer herauszufinden. Dies liegt einmal an der Unmittelbarkeit und Flüchtigkeit des Flow- Zustands selber, vor allem aber daran, dass SuS es nicht gewöhnt sind, Auskünfte zu ihrem Erleben zu geben, bei denen es kein Richtig oder Falsch gibt. Einen Anknüpfungspunkt bieten Thissen et al. (2018) mit einer Skala zum Assessment von Flow beim Lesen literarischer Texte durch Erwachsene. Untersuchungen zu Flow mit Bezug zum DU liegen allerdings nicht vor. So ergeben sich Fragen wie: Was fangen Rezipient:innen mit einem multimodalen (Über-) Angebot an (Arnold 2018)? Lässt sich Begeisterung oder auch Überforderung am stimmlich- prosodischen Ausdruck erfassen (Wehrle & Sappok 2023)?

Vor diesem Hintergrund haben wir mit Studierenden 2022 eine Pilot-Studie mit N = 28 Kindern im Alter von 7,7 bis 12,4 Jahren aus verschiedenen Schulformen durchgeführt (Fragebögen und Interviews vor, während und nach der Opernvorstellung). Als besonders aufschlussreich bzgl. Flow-freundlicher, aber auch -feindlicher Aspekte erwiesen sich die experimentellen Leitfaden-Interviews, die von den Studierenden durchgeführt wurden. Eine weitere Erhebungwird in revidiertem Rahmen in der zweiten Spielzeit der Oper im Frühjahr 2024 erfolgen: Einbezogen wird nun ein Klassenverband von Achtklässler:innen (Gymnasium), um differenziertere Aussagen und die Einbettung in eine Unterrichtseinheit zu initiieren. Als Ziele können festgehalten werden:

  1. Methodik: Entwicklung der experimentellen Interviews zum Flow-Assessment

  2. Deutschunterricht/Einbettung: Erkenntnisgewinnung zur Bedingtheit von Flow für die unterrichtliche Vorbereitung und zur Natur von Flow-Erlebnissen als Quelle für ästhetische Erfahrung und ihr didaktisches Potential

  3. Lehrer:innenbildung: Sensibilisierung der Zuhörkompetenzen von Studierenden, dahingehend, SuS mehr als Informant:innen und weniger als Erfüllungsgehilf:innen des Unterrichtsplans einzubeziehen (Behrens & Krelle 2024)

„Aber das merkten Iwein und Gawein gar nicht, ich wette, ihr hättet es auch nicht gemerkt. Denn ohne Vergesslichkeit gibt es kein Vergnügen. Wer Spaß hat, vergisst schnell den Rest der Welt, und die Zeit, die beim Warten immer so lang wird, rennt auf einmal davon. Wo eben noch Morgen war, ist plötzlich Abend, und für den, der gewinnt, ist ein Jahr so kurz wie ein Atemzug.“ (Hoppe: “Iwein Löwenritter 2020, S. 97)

Quellen:
Arnold, A. (2018). Konträr oder komplementär? Überlegungen zum Medienwechsel in „Hoppe“ und „Felicitas Hoppe sagt“. In Hamann, C. & Schausten, M. (Hrsg.), Felicitas Hoppe (S. 43–60) Verlag der Buchhandlung Klaus Bittner.
Behrens, U. & Krelle, M. (2024). Zuhören fördern. Praxis Deutsch 303, 4–11.

Benthaus, A. (2001). Oper im Unterricht – Zwischen Anspruch und Realität: Möglichkeiten und Grenzen eines multidimensionalen Phänomens: Studie zur Didaktik und Methodik des Themengebietes Oper. Universität Dortmund.
Csikszentmihalyi, M. (2014). Applications of Flow in Human Development and Education: The Collected Works of Mihaly Csikszentmihalyi. Springer Science. https://doi.org/10.1007/978-94-017-9094-9
Eggert, M. (2021). Iwein Löwenritter. Oper in zwei Akten. Nach dem Roman von Felicitas Hoppe auf Grundlage des Epos „Iwein“ von Hartmann von Aue. Libretto von Andrea Heuser.
Flow Symposion (2019). Veranstaltung am Max Planck Institute for Empirical Aesthetics. Frankfurt/M. https://www.aesthetics.mpg.de/institut/veranstaltungen/vergangene-veranstaltungen/flow-symposium.html
Gottsched, J. C. (1730). Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig.
Hoppe, F. (2008). Iwein Löwenritter. Nach einem Roman von Hartmann von Aue. S. Fischer.
Thissen B. A. K., Menninghaus, W. & Schlotz, W. (2018). Measuring Optimal Reading Experiences: The Reading Flow Short Scale. Front. Psychol. 9: 2542. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2018.02542
Wehrle, S. & Sappok, C. (2023). Evaluating prosodic aspects of oral reading proficiency in schoolchildren: effects of gender, genre and grade. In: Skarnitzl, R. & Volín, J. (Hrsg.), Proceedings of the 20th International Congress of Phonetic Sciences. Guarant International (S. 1275–1279). https://guarant.cz/icphs2023/113.pdf