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Interdisziplinäre Flow-Forschung in der Deutschdidaktik

OPERFLOW - Experimentelle Interviews mit Kindern zum Besuch einer Opernvorstellung

„Iwein Löwenritter“ von Moritz Eggert nach den Romanen von Hartmann von Aue und Felicitas Hoppe

Projektleitung: Dr. Christopher Sappok, Universität zu Köln, Vertr.-Prof.in Dr. Antje Arnold, Bergische Universität Wuppertal

„Die Vernunft muss man zuhause lassen, wenn man in die Oper geht!“
(Gottsched 1730)

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Projektbeschreibung: Während Gottsched es nicht gut gemeint hat mit der Oper, setzen wir hier positiv an. Die Oper als vielschichtiges Musiktheater, als „Gesamtkunstwerk“ oder schlicht als multimodales Ereignis ist aus Kindersicht im besten Fall ein im wahrsten Sinne des Wortes sensationelles Spektakel. Mit dem besten Fall meinen wir weniger die erschöpfende Würdigung aller Gestaltungsebenen oder das lückenlose Mitvollziehen der Handlung, sondern das Zustandekommen von Flow-Erlebnissen (Csikszentmihalyi passim). Wir gehen davon aus, dass Kinder häufig überhaupt kein Problem damit haben, nicht alles zu erfassen und zu verstehen. Das ist ihre Welt. Sie können trotzdem auf ihre Kosten – i.e. „in den Flow“ – kommen. Ob und wie sich dies vollzieht, wollen wir in lautsprachlicher Kommunikation u.a. mit signalphonetischen Methoden ermitteln und in seiner Bedingtheit rekonstruieren, um neue Ausgangspunkte für eine zeitgemäße Deutschdidaktik im Bereich Mündlichkeit zu bestimmen. Es handelt sich also um anwendungsbezogene Grundlagenforschung. Hierzu haben wir mit Studierenden eines Sprach-und-Literaturdidaktik-übergreifenden Masterseminars 2022 eine Pilot-Studie durchgeführt. Dabei wurde mit N = 28 Kindern im Alter von 7,7 bis 12,4 Jahren vor, während und nach einer gemeinsam besuchten Vorstellung kommuniziert. Eine weitere Datenerhebung wird in revidiertem Rahmen bei der Hauptuntersuchung in der zweiten Spielzeit der Oper im Frühjahr 2024 erfolgen.

Flow-Phänomene werden aktuell z.B. in der „empirischen Ästhetik“ untersucht (Flow Symposium 2019). Dabei spielt die lautsprachliche Kommunikation und die signalphonetische Analyse keine besondere Rolle. In der Deutschdidaktik wiederum gibt es kaum explizit Flow-fundierte Herangehensweisen. So ergeben sich Fragen wie: Was fangen Kinder mit einem multimodalen Überangebot wie in der Oper an? Was bringen sie in welcher Reihenfolge, in welchem Umfang und auf welche Weise zur Sprache? Lässt sich Begeisterung oder auch Überforderung am stimmlich-prosodischen Ausdruck signalphonetisch quantifizieren? Hierzu greifen wir auf Vorarbeiten zur Messung von Monotonie vs. Lebendigkeit im Sprachschall zurück (Wehrle & Sappok 2023).  Die Pilotstudie zeigt z. B. einmal mehr die Schwierigkeit auf, dass Kinder stark dazu tendieren, sich an hypothetischen Erwachsenenerwartungen orientieren, aber auch, dass Inszenierungserwartungen eines hochgradig medienreflexiven Gegenstands (Arnold 2018: 56) nicht erfüllt werden. Die Machart der Kostüme wurde z.B. mehrheitlich auf Geldmangel zurückgeführt. Der o.g. revidierte Rahmen besteht in einer Elaboration des Formats „experimentelles Interview“, bei dem die Impulse/Aufgabenformate maximale Spielräume für Flow-bezogene Äußerungen und Äußerungsweisen erwirken.

„Aber das merkten Iwein und Gawein gar nicht, ich wette, ihr hättet es auch nicht gemerkt. Denn ohne Vergesslichkeit gibt es kein Vergnügen. Wer Spaß hat, vergisst schnell den Rest der Welt, und die Zeit, die beim Warten immer so lang wird, rennt auf einmal davon. Wo eben noch Morgen war, ist plötzlich Abend, und für den, der gewinnt, ist ein Jahr so kurz wie ein Atemzug.“ (Hoppe: “Iwein Löwenritter 2020, S. 97)